Molecular Pharming
am Sonntag, 11. Januar 2009, 11:28 im Topic 'MANIPULATION'
Wenn von transgenen Pflanzen die Rede ist, denken die meisten zuerst an inzwischen klassische Anwendungen: Fremde Gene verleihen Pflanzen Resistenzen gegenüber Schädlingen und Herbiziden. Sie steigern die Toleranz gegenüber Kälte, Trockenheit oder anderen Umweltfaktoren und manchmal verspricht man sich von dem neuen Gen auch eine Qualitätsverbesserung pflanzlicher Lebensmittel oder
Futterstoffe. Weniger bekannt ist das „Molecular Farming“ - eine Technik, bei der ein fremdes Gen in Pflanzen integriert wird, damit sie hochwertige, pharmazeutische Wirkstoffe oder Diagnostika produzieren. (1)
Die für die Freisetzungen verwendeten Nutzpflanzen sind
hauptsächlich Mais und Tabak, gefolgt von Raps und Soja.
Pharmastoffe, die aus ihnen gewonnen werden, sind Blut- und
Blutgerinnungsproteine, Impfstoffe, Gerüstsubstanzen wie
Kollagen, antimikrobielle oder antivirale Wirkstoffe,
Wachstumshormone verschiedene Enzyme sowie
insbesondere Antikörper. Diese sind bisher am intensivsten in
pflanzlichen Produktionssystemen untersucht worden.
Therapeutische Antikörper etwa zur Behandlung von Krebs,
Autoimmunerkrankungen und Infektionskrankheiten bilden
einen Schwerpunkt bei der Entwicklung von PMP. (2)
Um aus Pflanzen Medikamente zu gewinnen, sind zwar keine
großen Flächen nötig - so sollen 16 Hektar ausreichen, um
Chinas Jahresbedarf an einem Impfstoff gegen Hepatitis B zu
decken -, doch lässt sich kostengünstig nur im Freien produzieren. Dabei kommen vor allem gut erforschte Pflanzen zum Einsatz, die auch als Nahrungs- oder Futtermittel dienen.
Dies bringt die Gefahr einer Vermischung mit sich, mit
unkalkulierbaren Folgen für die menschliche Gesundheit. Eine
Studie des Umweltinstituts München sieht sogar in
Pharmapflanzen "neben Terminator-Pflanzen (Pflanzen, die
nur einmal keimen, Anm.) und genmanipulierten Bäumen die
größte denkbare Gefahr, die von genmanipulierten
Organismen zu erwarten ist". In den USA, wo seit 1991
an die 400 Feldversuche mit Pflanzen genehmigt wurden, die
pharmazeutische oder industrielle Stoffe erzeugen, wurde
2002 ein folgenreicher Zwischenfall publik:
Auf einem Feld in Nebraska hatten sich Sojabohnen mit Resten
von im Jahr davor angebautem Genmais der texanischen
Firma ProdiGene vermischt, der das Enzym Trypsin enthielt.
ProdiGene musste die Kosten für die Vernichtung der
Sojabohnen in der Höhe von 2,7 Mio. Dollar sowie 250.000
Dollar Strafe zahlen. In der darauf folgenden
heftigen Debatte erhob sogar die Vereinigung der
Nahrungsmittelproduzenten der USA die Forderung,
Feldversuche künftig nur bei zu 100 Prozent gewährleisteter
Sicherheit und nicht mit Nahrungsmittelpflanzen
durchzuführen. (3)
Offenbar erwägt man deshalb, genmanipulierte Pharma-
Pflanzen künftig unterirdisch zu züchten. (4)
Allerdings will die Universität Rostock von 2009 bis 2012 einen
Freilandversuch mit genmanipulierten Kartoffeln in
Ostdeutschland durchführen. Die Pflanzen sollen Arzneimittel
produzieren, weshalb sie unter anderem Teile des Cholera-
Bakteriums enthalten. Weitere Linien der manipulierten
Kartoffeln sollen z.B. einen Impfstoff gegen die
Kaninchenseuche RHD herstellen. (5)
Laut Antrag der in Gatersleben beheimateten Gentechnikfirma
Novoplant soll in diesem Frühjahr (2007) der Anbau von
Pharmapflanzen beginnen. Ab Mitte April will das
Unternehmen auf 100 Quadratmetern 600 transgene
Erbsenpflanzen anbauen, die Antikörper gegen bakterielle
Durchfallerkrankungen von Schweinen produzieren. Den
Erbsenpflanzen wurden dazu Mäusegene eingebaut. Die
Pharma-Erbsen sollen als Zusatz unter Futtermischungen -
vor allem für Ferkel - gemengt werden, als vorbeugende
Behandlung, ähnlich einer passiven Impfung.
Freigesetzt werden sollen die Pflanzen in einem Abstand von
lediglich 500 Metern zu den Erbsen-Vermehrungsflächen der
Genbank. Skandalös ist diese Nähe unter anderem, weil die
Genbank mit etwa 5.600 Mustern von Wild- und Kulturformen
der Erbse die weltweit größte Vielfalt dieser Pflanzenart
beherbergt. (6)
Noch ist es nicht mehr als eine Idee. Fraglich ist jedoch, in wie
weit die Wissenschaft auch an essbaren Pharmapflanzen
forscht.
Die Idee ist bestechend einfach und wird deshalb gerne zitiert:
Gentechnisch veränderte Bananen produzieren einen
Impfstoff, der bequem über die Nahrung aufgenommen
werden könnte. Entsprechende Pflanzen würden «ohne
Zweifel Impfprogramme in Entwicklungsländern
unterstützen», schrieb das Pharma-Planta-Konsortium
unlängst in einem Fachmagazin. Die Art der Immunisierung
würde sich vereinfachen, und die Kosten der
Impfstoffproduktion, Reinigung und Lagerung würden
sinken. Vergangenes Jahr wurde in den USA erstmals eine von
Pflanzenzellen produzierte Hühnervakzine zugelassen.
Bärbel Hüsing vom Fraunhofer Institut in Karlsruhe glaubt
aber nicht, dass eine Impfbanane oder Impftomate den
Anforderungen, die man an einen Humanimpfstoff stelle,
jemals genügen werden. «Die Impfbanane kann man getrost
abhaken», sagt Hüsing. Sie sei «weder wissenschaftlich
noch logistisch» zu realisieren. Und im TAB-Bericht heisst es: «Eine direkte Verwendung des Pflanzengewebes dürfte ... (zumindest in der
Humanmedizin) unrealistisch sein.»
Auch wenn das Konzept «genial» sei, einfach dürfte sich eine
Impfbanane oder auch Impftomate nicht realisieren lassen,
meint auch Stefan Schillberg vom Pharma-Planta-Konsortium.
Die Dosis pro Frucht ist kaum zu kontrollieren. Eine
Möglichkeit sei aber, so Schillberg, dass man die Früchte
homogenisiere und beispielsweise ein Ketchup herstelle. Die
Impfstoffkonzentration könnte so standardisiert werden. «Der
immense Vorteil ist, dass die Reinigung des Impfstoffs
wegfällt», sagt Schillberg. (7)
Das wirtschaftliche Potenzial der Gen-Pflanzen ist nämlich genauso groß wie ihr wissenschaftliches.
Dass jede Firma versucht, mit immer abenteuerlichen Vorhaben auf sich aufmerksam zu machen, verwundert daher nicht. Impfbanane, Cholerakartoffel, Pharmaziege und Muttermilch vom Acker sind nur einige Beispiele. (8)
Quellenangaben:
(1)Biofabrik Pflanze
(2)Pharmapflanzen: Der Stand der Dinge
(3)Gesundheit aus der Retorte
(4)Grüne Gentechnik aus dem Stollen
(5)Gentech-Kartoffel mit Cholera-Gen
(6)Pharma-Erbsen: Eine tickende Zeitbombe
(7)Medikamente auf dem Feld ernten
(8)Das große Los im Moos
Futterstoffe. Weniger bekannt ist das „Molecular Farming“ - eine Technik, bei der ein fremdes Gen in Pflanzen integriert wird, damit sie hochwertige, pharmazeutische Wirkstoffe oder Diagnostika produzieren. (1)
Die für die Freisetzungen verwendeten Nutzpflanzen sind
hauptsächlich Mais und Tabak, gefolgt von Raps und Soja.
Pharmastoffe, die aus ihnen gewonnen werden, sind Blut- und
Blutgerinnungsproteine, Impfstoffe, Gerüstsubstanzen wie
Kollagen, antimikrobielle oder antivirale Wirkstoffe,
Wachstumshormone verschiedene Enzyme sowie
insbesondere Antikörper. Diese sind bisher am intensivsten in
pflanzlichen Produktionssystemen untersucht worden.
Therapeutische Antikörper etwa zur Behandlung von Krebs,
Autoimmunerkrankungen und Infektionskrankheiten bilden
einen Schwerpunkt bei der Entwicklung von PMP. (2)
Um aus Pflanzen Medikamente zu gewinnen, sind zwar keine
großen Flächen nötig - so sollen 16 Hektar ausreichen, um
Chinas Jahresbedarf an einem Impfstoff gegen Hepatitis B zu
decken -, doch lässt sich kostengünstig nur im Freien produzieren. Dabei kommen vor allem gut erforschte Pflanzen zum Einsatz, die auch als Nahrungs- oder Futtermittel dienen.
Dies bringt die Gefahr einer Vermischung mit sich, mit
unkalkulierbaren Folgen für die menschliche Gesundheit. Eine
Studie des Umweltinstituts München sieht sogar in
Pharmapflanzen "neben Terminator-Pflanzen (Pflanzen, die
nur einmal keimen, Anm.) und genmanipulierten Bäumen die
größte denkbare Gefahr, die von genmanipulierten
Organismen zu erwarten ist". In den USA, wo seit 1991
an die 400 Feldversuche mit Pflanzen genehmigt wurden, die
pharmazeutische oder industrielle Stoffe erzeugen, wurde
2002 ein folgenreicher Zwischenfall publik:
Auf einem Feld in Nebraska hatten sich Sojabohnen mit Resten
von im Jahr davor angebautem Genmais der texanischen
Firma ProdiGene vermischt, der das Enzym Trypsin enthielt.
ProdiGene musste die Kosten für die Vernichtung der
Sojabohnen in der Höhe von 2,7 Mio. Dollar sowie 250.000
Dollar Strafe zahlen. In der darauf folgenden
heftigen Debatte erhob sogar die Vereinigung der
Nahrungsmittelproduzenten der USA die Forderung,
Feldversuche künftig nur bei zu 100 Prozent gewährleisteter
Sicherheit und nicht mit Nahrungsmittelpflanzen
durchzuführen. (3)
Offenbar erwägt man deshalb, genmanipulierte Pharma-
Pflanzen künftig unterirdisch zu züchten. (4)
Allerdings will die Universität Rostock von 2009 bis 2012 einen
Freilandversuch mit genmanipulierten Kartoffeln in
Ostdeutschland durchführen. Die Pflanzen sollen Arzneimittel
produzieren, weshalb sie unter anderem Teile des Cholera-
Bakteriums enthalten. Weitere Linien der manipulierten
Kartoffeln sollen z.B. einen Impfstoff gegen die
Kaninchenseuche RHD herstellen. (5)
Laut Antrag der in Gatersleben beheimateten Gentechnikfirma
Novoplant soll in diesem Frühjahr (2007) der Anbau von
Pharmapflanzen beginnen. Ab Mitte April will das
Unternehmen auf 100 Quadratmetern 600 transgene
Erbsenpflanzen anbauen, die Antikörper gegen bakterielle
Durchfallerkrankungen von Schweinen produzieren. Den
Erbsenpflanzen wurden dazu Mäusegene eingebaut. Die
Pharma-Erbsen sollen als Zusatz unter Futtermischungen -
vor allem für Ferkel - gemengt werden, als vorbeugende
Behandlung, ähnlich einer passiven Impfung.
Freigesetzt werden sollen die Pflanzen in einem Abstand von
lediglich 500 Metern zu den Erbsen-Vermehrungsflächen der
Genbank. Skandalös ist diese Nähe unter anderem, weil die
Genbank mit etwa 5.600 Mustern von Wild- und Kulturformen
der Erbse die weltweit größte Vielfalt dieser Pflanzenart
beherbergt. (6)
Noch ist es nicht mehr als eine Idee. Fraglich ist jedoch, in wie
weit die Wissenschaft auch an essbaren Pharmapflanzen
forscht.
Die Idee ist bestechend einfach und wird deshalb gerne zitiert:
Gentechnisch veränderte Bananen produzieren einen
Impfstoff, der bequem über die Nahrung aufgenommen
werden könnte. Entsprechende Pflanzen würden «ohne
Zweifel Impfprogramme in Entwicklungsländern
unterstützen», schrieb das Pharma-Planta-Konsortium
unlängst in einem Fachmagazin. Die Art der Immunisierung
würde sich vereinfachen, und die Kosten der
Impfstoffproduktion, Reinigung und Lagerung würden
sinken. Vergangenes Jahr wurde in den USA erstmals eine von
Pflanzenzellen produzierte Hühnervakzine zugelassen.
Bärbel Hüsing vom Fraunhofer Institut in Karlsruhe glaubt
aber nicht, dass eine Impfbanane oder Impftomate den
Anforderungen, die man an einen Humanimpfstoff stelle,
jemals genügen werden. «Die Impfbanane kann man getrost
abhaken», sagt Hüsing. Sie sei «weder wissenschaftlich
noch logistisch» zu realisieren. Und im TAB-Bericht heisst es: «Eine direkte Verwendung des Pflanzengewebes dürfte ... (zumindest in der
Humanmedizin) unrealistisch sein.»
Auch wenn das Konzept «genial» sei, einfach dürfte sich eine
Impfbanane oder auch Impftomate nicht realisieren lassen,
meint auch Stefan Schillberg vom Pharma-Planta-Konsortium.
Die Dosis pro Frucht ist kaum zu kontrollieren. Eine
Möglichkeit sei aber, so Schillberg, dass man die Früchte
homogenisiere und beispielsweise ein Ketchup herstelle. Die
Impfstoffkonzentration könnte so standardisiert werden. «Der
immense Vorteil ist, dass die Reinigung des Impfstoffs
wegfällt», sagt Schillberg. (7)
Das wirtschaftliche Potenzial der Gen-Pflanzen ist nämlich genauso groß wie ihr wissenschaftliches.
Dass jede Firma versucht, mit immer abenteuerlichen Vorhaben auf sich aufmerksam zu machen, verwundert daher nicht. Impfbanane, Cholerakartoffel, Pharmaziege und Muttermilch vom Acker sind nur einige Beispiele. (8)
Quellenangaben:
(1)Biofabrik Pflanze
(2)Pharmapflanzen: Der Stand der Dinge
(3)Gesundheit aus der Retorte
(4)Grüne Gentechnik aus dem Stollen
(5)Gentech-Kartoffel mit Cholera-Gen
(6)Pharma-Erbsen: Eine tickende Zeitbombe
(7)Medikamente auf dem Feld ernten
(8)Das große Los im Moos
gorgoneion ...schon 568 x die Welt verändert...